Montag, 20. Juni 2011

Hermann Scheer über Gladio und Verschwörungen


Hermann Scheer war ein deutscher Politiker und Mitglied des Bundesvorstandes der SPD. 1999 wurde ihm der Alternative Nobelpreis für sein Engagement für die Solarenergie verliehen.

In einem Redebeitrag im Deutschen Bundestag brachte er 2 Wochen vor seinem mysteriösen Herztod in einer live im Fernsehen ausgestrahlten Bundestagsdebatte zur Sprache, dass der Atomindustrie durch einen schlichten Vertragsbruch ein Vorteil von € 60 Milliarden verschafft werden sollte. link

Im Zusammenhang der Landtagswahl in Hessen 2008 stand er in dem Schattenkabinett Andrea Ypsilantis als designierter Wirtschafts- und Umweltminister und trat im Wahlkampf für eine Erneuerung der Energie- und Wirtschaftspolitik auf Basis erneuerbarer Energien ein. link

Hermann Scheer ein paar Monate vor seinem "plötzlichen Herztod" am 14. Oktober 2010 über Gladio und Verschwörungen im Allgemeinen:



“Ich weiß nicht mehr genau, wann das war, das muss Anfang 1990 gewesen sein und zu diesem Zeitpunkt erschienen eine Reihe von Artikeln nicht in deutschen Zeitungen sondern in italienischen Zeitungen und nicht irgendwelche italienischen Zeitungen, es war meiner Erinnerung nach “Republica”, die zu den angesehenen italienischen Zeitungen zählt Agents Provocateurs, d. h. dass mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Gladio-Truppe Anschläge verübte, die man dann den Roten Brigaden geschickt untergeschoben hat und die so gemacht worden waren, dass man den Eindruck haben musste, das sei die Rote Brigade gewesen und das natürlich eine sehr finstere Rolle gespielt hat…

Da war noch eine ähnliche Truppe in Griechenland als Hilfestellung für den Putsch der griechischen Obristen im Jahr 1967, ohne die dann der Putsch möglicher Weise gar nicht zustande gekommen wäre und es gab ja auch insgesamt Parallelen. Zudem, man wusste nämlich, dass der griechische Obristen-Putsch der nicht nur nicht dazu führte, dass Griechenland aus der Nato ausgeschlossen wurde, die Mitgliedschaft wurde nicht einmal suspendiert. Obwohl ja auch die Nato ein Bündnis freier Staaten offiziell ist und sich so offiziell versteht und dass die Duldung dessen was dort geschah, durch die Nato offensichtlich war. Und das passte natürlich sehr gut in das Bild, das man ohnehin schon hatte, denn die Duldung war ja evident. Und es hat auch Ausbildungslager in Deutschland gegeben. Das hat dann zu Nachfragen geführt von mir, die ich an die Regierung gerichtet habe und das Ergebnis war, dass es keinerlei Informationen gegeben hat dazu. Es wurde allgemein dementiert, aber es wurde in einer Weise dementiert, dass man herauslesen konnte, man will da lieber den Schwamm drüber-lassen.

Es hatte dann nicht mehr die Zeit und es hatte auch keine sonstige Aufmerksamkeit gefunden, weil das war das Wendejahr 1990 und viele dachten, das ist der Schnee von gestern und das ist natürlich eine ziemlich unbefriedigende Antwort, weil wenn es um historische Aufarbeitung geht, kann man nicht sagen “Schnee von gestern”, dann gibt es keine historische Aufarbeitungen mehr und die Eindrücke, die ich dabei hatte, waren, dass eine nachträgliche Untersuchung, auf das, was bis in die 70er Jahre immer noch geschehen ist, quasi bei allen Parteien auf Widerstand gestoßen ist, denn es berührte natürlich alle möglichen Regierungen, die seitdem im Amt waren, nicht nur die frühere CDU/FDP-Regierung vor 1966, es berührte ja auch, was den zeitlichen Rahmen anbetrifft, die Zeit der großen Koalition aber auch noch die Zeit der sozialliberalen Koalition. Es kamen offizielle Dementi, es kamen pauschale Dementi, als sei das geradezu absurd, allein die Frage schon absurd, obwohl das, was mittlerweile veröffentlicht war vor allem in italienischen Zeitungen alles andere als absurd war, denn es beruhte ja immerhin auf wiedergegebenen Fakten, die in Italien eine große Diskussion ausgelöst hatten.

Aber interessanterweise hat diese Diskussion außerhalb Italiens nicht stattgefunden und dadurch ist sie natürlich auch dort stecken geblieben nach einer gewissen Zeit. Es ist natürlich so, dass, wenn es um die Dekorierung und Demaskierung gegenwärtiger Verantwortlicher geht, dann ist es natürlich für eine Zeitung noch interessant. Wenn es um das nachträgliche Aufdecken einer Sache geht, die man für Schnee von Gestern hält, dann ist das für eine Zeitung nicht mehr so interessant. Dann kann man sich eigentlich nur noch auf Historiker verlassen, die der Sache dann über Jahre hinweg nachgehen und auch das Glück hatten, noch einschlägige Dokumente zu finden, aber dass das alles eine Geheimtruppe war, die für den Fall, dass sie ihren Einsatz für nötig hielt, sämtliche demokratische Regeln auch missachtet hat oder machen konnte, was sie wollte, unbeobachtet, das wird wahrscheinlich offiziell nie zugegeben werden, es sei denn, es fänden sich einige Leute, die unmittelbar dabei waren und die sich dann im höheren Alter weiter darüber ausführlicher auslassen. Aber nach meiner Erinnerung ist das noch nicht gefunden worden.

Es gibt natürlich einen Totschlags-begriff “Verschwörungstheorie” und der alles abtun soll was an dem Zusammenhang an Vermutungen, konkreten Verdachtsmomenten usw. da ist und womit ja unterstellt wird indirekt mit diesem Totschlags-begriff, es gäbe keine Verschwörung. Aber natürlich gibt es Verschwörung, selbstverständlich! Und die beste Möglichkeit von Verschwörung abzulenken, ist eine Verschwörungstheorie aus der Luft gegriffen irgendwie herbei-phantasiert. Aber die Vorgänge, die wirklich einigermaßen dokumentiert sind, sind alles andere als Verschwörungstheorien, es waren Verschwörungen! Die Aufgabe bleibt, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, die allesamt mit Transparenz zusammenhängen.

Der Feind sitzt innen, heute mehr denn je und nicht mehr außen!”

Interessant in diesem Zusammenhang:


Daniele Ganser: Die NATO und ihre Geheimarmeen

Church Committee - CIA secret weapon of assassination Heart Attack Gun, Declassified 1975

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