Freitag, 19. Februar 2010

Alltag in Talibanistan

Ein im Gegensatz zu dem üblichen pseudokritischen Desinfomüll des ARD-Weltspiegel realistischer Bericht aus Afghanistan vom 10.1.2010.





Im Süden Afghanistans fährt eine reiche Geschäftsfrau in ein Flüchtlingscamp. Sie will sich einen Sohn kaufen, weil sie selbst kein Kind bekommen kann. Was für ein Elend, jammert der Vater, verkauft seinen Sohn aber trotzdem. Die Geschäftsfrau ist zufrieden. Der hübsche Junge ist seinen Preis von umgerechnet 1.500 Dollar wert. Nur kurz darf der 11-jährige Amir von Vater und Mutter Abschied nehmen.

Der Vater erzählt: "Ich habe ein Stück von meinem Herzen verkauft. Aber ich muss auch noch vier andere Kinder ernähren. Und für die habe ich kein Geld. Und außerdem bin ich krank. Meine Nieren versagen."

Die Schutztruppe schützt sich selbst

Nicht weit entfernt, auch im Süden Afghanistans. Ein schwer gepanzerter Konvoi der Internationalen Schutztruppe und der Afghanischen Armee quält sich auf einer staubigen Straße zehn Kilometer durch Taliban-Gebiet. Insgesamt 900 Soldaten sind an dieser Operation beteiligt. Hubschrauber geben Geleitschutz - so gefährlich ist die Mission. Im neu aufgebauten Vorposten werden dann nur Wasserflaschen entladen. Die ganze Aktion hat weit über eine Million Dollar gekostet.

Zwei Beispiele für den Wahnsinn in Afghanistan: Kinder werden öffentlich verkauft, und die Internationale Schutztruppe muss vor allem sich selbst beschützen.

Die Warlords haben das Land im Griff

Derweil verteilt einer Geldscheine an die Kinder von Bedürftigen. Kommandant Abdullah, ein gerade mal 35-jähriger Warlord, ist hier der Herrscher und ständig begleitet von bewaffneter Entourage. Er hat das Sagen, unbehelligt von der afghanischen Polizei und der Internationalen Schutztruppe. Abdullahs Gebiet ist etwa so groß wie das Land Bremen. 20.000 Menschen leben hier, vor allem Kleinbauern. Sie müssen an den Herrscher Geld oder einen Teil ihrer Ernte abführen - Zwangssteuern für den Paten.

Eigentlich schulde er Abdullah gar nichts, so ein Bauer. Das sei reine Erpressung und Abdullah kenne nur Gewalt. Alle hier seien Opfer seiner Brutalität.

Das Militär ist schlecht bezahlt

Die 101. Infantrie-Division der afghanischen Nationalarmee, aufgebaut, trainiert und finanziert vom Ausland, gilt als die Elitetruppe. Diese Männer hier sollen Macht ausüben im Auftrag der Regierung Karsai. Aber sie sind ein krasser Ausfall. In der Kaserne lassen sie ihren ganzen Frust raus. Sie bekämen nur 100 Dollar Grundgehalt pro Monat. Bei den Taliban könnten sie das Dreifache verdienen. Aber nicht nur das: Die afghanische Armee hat so gut wie keine schweren Waffen, und was da ist, ist restlos veraltet, stammt aus der russischen Besatzungszeit vor 30 Jahren. Vor der Kamera beklagen sich Offiziere ganz offen. Sie müssten in primitiven Pick-Ups durch verminte Gegenden fahren, vorbei an Taliban-Hinterhalten, völlig ungeschützt.

In das Machtvakuum, das Regierung und Armee hinterlassen, stoßen die Taliban hinein. Offen und fast schon offiziell haben sie vielerorts ihr Parallel-Regime errichtet.

Kindesentführungen reicher Afghanen nehmen zu

Endlich mal ein Erfolg für die afghanische Polizei. Sie nehmen Geiselnehmer fest, die Kinder reicher Afghanen entführt haben. Leute sind im Land der Gesetzlosigkeit zu einem regelrechten Volkssport geworden. "Wir treffen keine Armen, sondern nur die Reichen, die ausländische Hilfsgelder für sich behalten und nicht dem Volk gegeben haben. Wir entführen die Kinder dieser Leute. Wollen uns das Geld holen, das die gestohlen haben", so die Entführer.

Zurück ins Reich des skrupellosen Kommandanten Abdullah. Er genießt seine Droge. Je schlechter es Afghanistan geht, umso higher kann er sich fühlen. Je mehr Chaos, umso besser laufen die Geschäfte. Ungeniert wird Limo mit hochprozentigem Whiskey gemischt. Abdullah schmeißt mal wieder eine Party. Weil Frauen in Afghanistan dabei nicht mitmachen dürfen, werden als Grazien verkleidete Schwule aus Pakistan herübergeholt. Die ersetzen auf dieser Fete die Damen. Je später der Abend, umso wilder die Tänze und umso ausgelassener die Stimmung.

Derweil wollen Amerikaner auf einem modernen Tieflader einen alten russischen Panzer wegschleppen. Doch der Tieflader schafft es nicht, der Panzer muss wieder runter. Irgendwie bekommen die Afghanen das militärische Fossil dann doch noch flott, rattern lärmend davon. Und zerstören mit den Panzerketten den Belag der ganz neuen Straße – die war auch von den Deutschen mitbezahlt worden. Eine Szene mit Symbolkraft.

Bericht: Christoph Lütgert

Keine Kommentare: